Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Die Jurafrage

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1814/1815 tagte in Wien der Kongress der antinapoleonischen Siegermächte. Frankreich war in die Grenzen von 1792 zurückverwiesen. Das ehemalige Fürstbistum Basel - und damit der Jura - kam als herrenloses Gebiet auf den diplomatischen Markt. Der Kongress überliess den Jura und Biel dem immer noch mächtigen Bern - als Trost für den Verlust der Untertanengebiete Waadt und Aargau.

1815 verwehrte der Grosse Rat den neuen Gebieten eine Teilautonomie. Bald danach kam es aus politischen, wirtschaftlichen und religiösen - und später vor allem aus sprachlichen - Gründen zu autonomistischen Aufständen. Bern schickte immer wieder Besatzungstruppen in den Jura. Im «Kulturkampf» ab 1873 entliess der bernische Kirchendirektor fast die gesamte Priesterschaft.

1947, am 9. September, lehnte das bernische Kantonsparlament bei der Verteilung der Verwaltungsdirektionen den aus dem Jura stammenden SP-Regierungsrat Georges Moeckli als Chef der Baudirektion ab - aus sprachlichen Gründen! Der «Fall Moeckli» lieferte den entscheidenden Funken ins bernisch-jurassische Pulverfass. Nun begann eine unaufhörliche Welle von Protesten, die schliesslich zur Kantonsgründung führen sollte.

1948 hatte sich in Moutier ein «Komitee zur Verteidigung der Rechte des Juras» gebildet. Parallel dazu entstand das «Rassemblement jurassien»; Jungseparatisten sammelten sich in der «Gruppe Bélier». Schliesslich kam es zu Terrorattentaten einer geheimen Splittergruppe FLJ («Front de libération jurassien»), von der zwei Mitglieder nach der Gefangennahme ins Ausland flüchteten (und dort politisches Asyl erhielten!).

1968 wurde «zum Schutz des Bundeseigentums» auf bernisches Ersuchen ein Infanterieregiment im WK mit Kriegsmunition ausgerüstet. Jurassische Offiziere protestierten, zahlreiche jurassische Armeeangehörige verweigerten «aus Patriotismus» den Militärdienst.

Berntreue Jurassier bildeten parallel zu den separatistischen Organisationen eigene Vereinigungen; es kam zu blutigen Schlägereien, wobei die Polizei zeitweise die Anhänger Berns unterstützte. Eine «Kommission der guten Dienste», unter dem Vorsitz von alt Bundesrat Max Petitpierre, schlug wiederum eine Teilautonomie vor. Bern lehnte erneut ab. Es kam zum Plebiszit.

1974 ergab sich im gesamten Abstimmungsgebiet das allseits überraschende Resultat von 36 802 Ja- gegen 34 057 Nein-Stimmen, doch weitere Befragungen folgten.

1979 wurde der neue Kanton Wirklichkeit. Er umfasste nur noch die drei Nordbezirke Delsberg, Pruntrut und Freiberge.



Autor: Matthias Nast / Quelle: Archiv Gassmann 2007